Stellungnahme von Schulleiter Stephan Maulbetsch zur Befürwortung einer Verlängerung des G9 im Gemeinderat
Berichterstattung über die Verlängerung des Schulversuch G9 im Rahmen der Gemeinderatsitzung vom 02. Februar 2023
Mit großem Interesse habe ich in den beiden Lokalzeitungen „Schwarzwälder Bote“ und „Zollernalbkurier“ die Berichte über die Gemeinderatsitzung vom vergangenen Donnerstag, 02.02.2023, gelesen, in der über eine erneute Fortsetzung des Schulversuchs G9 am Gymnasium Ebingen diskutiert und mehrheitlich befürwortend abgestimmt wurde. Ich konnte mich dabei des Eindrucks nicht erwehren, sowohl die Diskussion im Gemeinderat als auch die Berichterstattung darüber sei einseitig zu Lasten des zweiten in Albstadt vorhandenen Gymnasiums, nämlich des Progymnasiums Tailfingen, gegangen. Als Schulleiter des Progymnasiums möchte ich mich deshalb zu einigen Punkten äußern.
Zunächst bedauere ich, dass ich dies im Nachgang der Sitzung tun muss und nicht vorher gehört oder um eine Stellungnahme gebeten wurde. So hätte ich auch Gelegenheit gehabt, einige Punkte, die meiner Ansicht nach falsch dargestellt wurden, zurechtzurücken.
Das Progymnasium verzeichnet seit vielen Jahren nahezu konstante Schülerzahlen, was angesichts der „Konkurrenz“ mit einem G9-Gymnasium im eigenen Stadtgebiet bemerkenswert ist. Es ist das größte Progymnasium in Baden-Württemberg und lässt selbst manches voll ausgebaute Gymnasium zahlenmäßig hinter sich. Der diesjährige Schnuppernachmittag für die vierten Klassen der Grundschulen lässt auf einen starken 5er-Jahrgang hoffen, dem zwei relativ kleine Abschlussklassen gegenüberstehen. Es ist folglich mit steigenden Zahlen zu rechnen. Ferner hat die Schule in diesem Schuljahr zwei Vorbereitungsklassen für Flüchtlingskinder eingerichtet, die im Moment von 27 Schülerinnen und Schülern besucht werden. Im nächsten Schuljahr werden einige dieser Kinder in die Regelklassen integriert. Der Fortbestand der Vorbereitungsklassen über das jetzige Schuljahr hinaus ist absehbar. Damit dürfte die Schülerzahl die Marke von 300 Kindern überschreiten.
Die guten Durchschnitte der letztjährigen Abiturprüfungen am Gymnasium Ebingen sind erfreulich, daraus lässt sich aber kein Vorteil des G9-Zuges gegenüber dem achtjährigen Gymnasium ableiten. Zumal ein Gutteil unserer Schülerinnen und Schüler, die nach der zehnten Klasse die Schule wechseln müssen, in die Kursstufe des Gymnasiums Ebingen geht und dort zu den guten Ergebnissen beiträgt. Unabhängig von der gewählten Schule sind die Rückmeldungen unserer Ehemaligen in Bezug auf die Arbeit des Progymnasiums sehr positiv. Dies bestätigen auch die Lernstandsdiagnosen in Klasse 8 der vergangenen Jahre, die im Ergebnis mehrheitlich dem Landesdurchschnitt entsprachen oder ihn sogar übertrafen.
Das Progymnasium genießt einen ausgezeichneten Ruf. Überschriften wie „Für entspanntes Lernen“ oder „Eltern stimmen mit den Füßen ab: Alle Fünftklässler bevorzugen G9“ stellen die Schule aber als Auslaufmodell dar, kommen kurz vor dem Zeitraum der Anmeldung für die weiterführenden Schulen absolut zur Unzeit und schaden nur. Dies kann in Zeiten der größten Baumaßnahme der Stadt Albstadt am Schulzentrum Lammerberg, dessen Bestandteil das Progymnasium ist, nicht im Interesse der Stadtverwaltung, des Gemeinderates und auch nicht der Regionalzeitungen sein.
Die wenigen kritischen Stimmen in der Sitzung, die sich dessen bewusst waren und erhoben haben, freuen mich umso mehr und haben meinen Dank.
Stephan Maulbetsch, Schulleiter